Ich bin Niederrhein (10) Von Michael Elsing
Es ist mal wieder an der Zeit, einen sentimentalen Blick zurückzuwerfen. Denn mich beschleicht manchmal das Gefühl, dass die niederrheinische Sprache, die mir so sehr am Herzen liegt, vom Aussterben bedroht ist. Keine Sorge, "dat" und "wat" wird es wohl auch in Zukunft geben und auch die grammatikalischen Unzulänglichkeiten, die uns gerne mal unterlaufen, werden wohl nicht von der Bildfläche verschwinden.
Doch wie sieht es aus mit dem Plattdeutschen Dialekt? Wer spricht ihn noch\x0e? Wer beherrscht ihn noch? Und wer soll ihn in die nächste Generation transportieren? Wo sind die Opas und Omas, die mit ihren Enkeln „Platt prooten”? Schon bin ich bei meiner eigenen Geschichte. Wie oft bin ich im Kindesalter nach "booven" (oben) gegangen, um Zeit mit meinen Großeltern zu verbringen und ihre damals für mich noch etwas befremdliche Sprache aufzusaugen.
Es war aber nicht nur das gesprochene Wort, sondern auch die Gepflogenheiten, die ich so mochte und die mir heute hin und wieder fehlen. Dazu zählt allerdings weder der "Melkpapp" (Milchbrei), den es bei meinen Großeltern beinahe täglich gab, noch die " Ärtesupp" (Erbsensuppe), die samstags auf dem Programm stand. Die ersten plattdeutschen Wörter, die ich lernte, waren "Kerk" (Kirche) und "Kerkhoff" (Friedhof). "Bääjen" (beten) und "bichten" (beichten) nahmen bei meiner Oma eben einen großen Spielraum in ihrem Leben ein. Mein Opa ging dagegen gerne met "Klompen anne Füüt" (Holzschuhe an den Füßen) in den "Gajen" (Garten).
Ich lernte, dass eine Wohnung aus "Kök", "Wohnkamer" und "Schloppkamer" besteht. Darüber hinaus gab‘s für die menschlichen Bedürfnisse das "Hüssken" (Toilette). Dort stand übrigens auch die "Bajewann" (Badewanne), die jeden Samstag zum Einsatz kam. Spannend wurde es dann, wenn "Söster" (Schwester) und "Brür”"(Bruder) meiner Großeltern zu Besuch waren. Nur geübte Platt-Sprecher konnten der Unterhaltung da noch folgen. Doch langsam, aber sicher gelang es mir, ganze Sätze auf Platt zu bilden. Ich konjugierte auf Platt, ich deklinierte auf Platt und ich hatte dabei "Spaß wie en dicken Tutt" (Spaß wie ein dickes Huhn). Am meisten aber liebte ich, abgesehen von der " Ärtesupp", die Samstage. Dann roch die ganze Wohnung nach "Korintestut" (Rosinenstuten), mein Opa saß etwa 50 Zentimeter vom Radio entfernt und lauschte der Bundesliga und anschließend schauten wir uns gemeinsam die Sportschau an.
Und wenn ich heute ab und zu über den "Kerkhoff" schlendere und am Grab von Oma und Opa stehe, dann schmunzele ich und denke mit Stolz und Dankbarkeit an diese schöne Zeit.
RP vom 17.04.2009