Ich bin Niederrhein (30) von Michael Elsing
Ich bin Niederrhein (30)
Falls Sie sich an dieser Stelle schon einmal gefragt haben sollten, ob das Sprach-Reservoir des Niederrheiners eigentlich unerschöpflich ist, so kann ich Ihnen hier und heute die Antwort geben: Ja! Und ich kann Ihnen sogar sagen, warum das so ist: weil wir in Situationen, in denen uns der passende Begriff nicht einfällt oder wir ihn gar nicht kennen, die Lücke mit einer eigenen Kreation schließen.
So entstand beispielsweise der „Ömmes“, der immer dann angewendet wird, wenn uns der Name einer bestimmten Person gerade mal entfallen ist. Das hört sich dann so an: „War das nicht der – na , wie heißt der doch gleich ?“ „Ach, du meinst den, äh, Ömmes? „Ja, genau der!“ Sie merken also, dass jeder von uns mal der Ömmes sein kann. Ähnlich verfahren wir, wenn es sich bei dem gesuchten Begriff um eine Sache oder einen Ort handelt. Dann wird aus Ömmes sogleich „Dingens“ oder „Dingenskirchen“. Auf die Spitze getrieben gibt es für den Niederrheiner nichts Schöneres als Urlaub in Dingenskirchen.
Für die Kleinigkeiten und Unsinnigkeiten dieser Welt haben wir uns ebenfalls eigene Begriff einfallen lassen. Sie heißen bei uns „Kinkerlitzchen“ und „Killefit“. Verwandt mit dem Killefit dürfte der oder das, vielleicht auch die „Pillepalle“ sein. Auf jeden Fall stehen beide Wörter für aus unserer Sicht vollkommen überflüssige Aktionen. Auch einer Verhaltensweise, die wir als unangemessen einstufen, weil sie nicht auf direktem Weg zum Erfolg führt und stattdessen eher unkonventionell daher kommt, haben wir einen eigenen Namen verpasst. Der Niederrheiner fordert: „Mach nicht solche Spirenzchen“ oder er fragt: „Wat soll der Heckmeck?“ Auch genaue Zahlenangaben sind nicht unbedingt das Ding des Niederrheiners. Solche Spitzfindigkeiten sind uns schlichtweg zu mühselig. Stattdessen ersetzen wir jede beliebige Ziffer durch das Wörtchen „zich“. Im ganzen Satz: „Ich hab et dir schon zich mal gesagt.“
Manchmal frage ich mich selbst schon, ob wir Niederrheiner noch ganz „pück“ sind, was in diesem Zusammenhang die Intelligenz des Gegenübers hinterfragen soll. „Lecko mio“, denke ich dann häufig, woher stammt nur dieser ganze „Tinnef“ und warum setzen wir ihn ständig ein?
Heimlich, leise und ruhig sind doch wunderbare Wörter, um die Lautlosigkeit einer Handlung zu umschreiben. Doch was macht der Niederrheiner? Er sagt, „dat hat er stickum gemacht“. Auch mit dem Wort Appetit lässt sich die Lust, etwas Essbares zu sich zu nehmen, sehr trefflich beschreiben. Doch der Niederrheiner hat einfach nur „Schmacht“, manchmal sogar „bis unter beide Arme“. Apropos Essen: „Mettwosch mit Mus“ oder „Surmus ütte Tonn“ kämen jetzt richtig gut. Erklären muss ich das ja wohl nicht.
RP vom 21. Mai 2010