Ich bin Niederrhein (8) Von Michael Elsing
Den Niederrheiner zeichnet ja nicht nur seine manchmal etwas eigentümliche Sprache aus. Hin und wieder sind es auch seine Gesten und Verhaltensweisen, die ihn so einzigartig machen. Ein Ort, an dem dies immer wieder beobachtet werden kann, ist die gute, alte Dorfkneipe. Gehen wir also heute mal gemeinsam in eine Wirtschaft, wie es bei uns heißt.
Ein Mann betritt das Lokal seines Vertrauens und setzt sich vor die Theke. Wenig später steht bereits das erste Bier vor ihm. Erklärung: der niederrheinische Stammgast bestellt nicht. Er signalisiert dem Wirt durch seine blanke Anwesenheit, dass er genau das Getränk möchte, was er immer bekommt. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass er auf diese Weise durch den ganzen Abend kommt, sich nur zum „Austreten" von seinem Platz bewegt und dem Wirt am Ende durch Hochhalten seines Deckels anzeigt, dass er nun bezahlen und damit gehen möchte. Etwas bewegungs- und mitteilungsfreudigere Niederrheiner nehmen bei ihrer Bestellung die Finger zur Hilfe, mit denen sie dem Wirt die Größe des Glases darstellen und vielleicht noch die Worte „Langen" (Pils) und „Kurzen" (Korn) hinzufügen. Wer’s noch knapper mag, ordert einfach ein „Gedeck".
Ohnehin sind die Namen der Getränke für Nicht-Niederrheiner etwas gewöhnungsbedürftig. Wird ein Schuss (Pils und Malzbier) bestellt, muss kein Gast vor Angst zusammenzucken. Mit einem „Krefelder" (Alt und Malzbier) wird kein Gast aus der Seidenstadt begrüßt. Das „Schweinebier“ (Alt und Cola) ist wirklich keine Ferkelei und über einen „Kalten Kaffee" (Cola und Fanta) regt sich kein Niederrheiner auf.
Zurück zu den Gesten und kurzen Ansagen. Steht oder sitzt eine Gruppe von Gästen gemeinsam am Tisch, beginnt das so genannte Runden geben. Zunächst die wortsparende Variante: den Arm in die Luft strecken, dann das Handgelenk nach unten klappen und schließlich mit dem Zeigefinger kreisende Bewegungen machen – schon sind einem zig Bier, aber auch zig Striche auf dem Deckel sicher. Niederrheinische Quasselstrippen fügen dieser Geste noch ein „mach ma einen fertig" hinzu.
Neigt sich der Abend dann dem Ende entgegen, werden Gesten und Sprache – das ist übrigens nicht nur am Niederrhein so – immer schwerer verständlich. In einigen Fällen sind die Gäste nun „nicht mehr allein" oder „geschmückt" oder haben sich „einen gepackt". Eventuell haben sie sogar einen „Affen". Auf jeden Fall rufen sie dem Wirt ein „Halt ab!" zu. Der kontrolliert, ob sich auf der „B-Seite" des Deckels nicht noch weitere Striche befinden und „hält ab". Und was macht der letzte Gast? Der macht natürlich die Tür zu.
RP vom 20.03.2009