30 Jahre Keer tröch in Bislich
1971 wurde der jahrhundertelange Fährverkehr von Bislich in die Beek gestoppt - zu teuer. 20 Jahre später kam der abenteuerliche Neuanfang.
Foto Erwin Pottgiesser FFS
Bericht Susanne Zimmermann
Wesel Eigentlich gab es schon immer eine Fähre von Bislich nach Xanten – bis 1971, als die beteiligten Kommunen ausstiegen. „Wir haben 20 Jahre gebraucht, um einen neuen Fährbetrieb auf die Beine zu stellen“, erläutert Edmund Ramms, einer der Väter der „Keer tröch“. In diesem Jahr ist es genau 30 Jahre her, dass die Fähre wieder ihren Betrieb aufnahm. Die NRZ schrieb damals: „Selbst der Rhein schlug Wellen der Begeisterung.“ Ein Fährbetrieb an dieser Stelle zwischen Bislich und der Beek ist bereits im Jahr 1319 urkundlich erwähnt, wie Peter von Bein anlässlich des Neustarts schrieb.
„Anfang 1990 kam der Direktor der Verbandssparkasse Paul Janßen auf mich zu“, erinnert sich Ramms, der im Heimat- und Bürgerverein Bislich 25 Jahre lang für den Fährbetrieb zuständig war. Die Sparkasse wollte der Stadt Wesel zum 750. Stadtjubiläum zu einer neuen Fähre verhelfen. „Wir stehen dahinter, hat er gesagt. Für den praktischen Teil habe man ihn an mich verwiesen.“ Eine Nacht, um darüber zu schlafen, erbat sich Ramms. Dann war er an Bord, „ich wusste nicht, was da auf mich zukommt.“
Zusammen mit Gerd Steinling, beide Bislicher haben ihre Wurzeln in der Rheinschifffahrt, suchte er ein Schiff. Sie sahen sich sogar Natofähren in Bremen an, „aber die waren so groß, die hätte man quer in den Rhein legen können“. Steinling machte eine Fähre im holländischen Millingen bei der Familie van den Hövel aus. Sie konnten sie kaufen, brachten sie in den Hafen der Firma Hülskens. Um festzustellen: Die Vorschriften in Holland sind deutlich lockerer als die deutschen. Die Schiffsuntersuchungskommission gab den Bislichern eine Reihe von Hausaufgaben. Da ging es um Kollisionsschutz, um die Lautstärke im Führerhaus und mehr. „Die Gesichter des Teams, das waren ja alle Ehrenamtliche, die Stunde um Stunde arbeiteten, wurden lang und länger“, erinnert sich Rammms. Er fand eine Lösung.
Am 29. Juni 1991 nahm die „Keer tröch“ ihren Betrieb auf. „Alle wollten dabei sein. Es war überwältigend.“ Die Bislicher Gerd und Monika Amerkamp gehörten zu den Fahrgästen an diesem ersten Tag. „Das war doch noch die Nussschale!“, sagt Gerd Amerkamp. Und Monika erinnert sich: „Gerd Steinling war der Fährmann. Eine große Welle schwappte herein und wir hatten alle nasse Füße…“ Viele Bislicher werden diesen Tag nicht vergessen.
Nur drei Jahre später, 1994, wurde klar, dass das Schiff zu klein war. Immer mehr Radfahrer wollten den Rhein passieren. Für 340.000 DM kaufte man die Keer tröch II in Oberwinter: Die alte Fähre wurde verkauft und der Heimatverein hatte ein gutes Polster. „Wir haben auch begonnen, die Fährmänner vernünftig zu bezahlen, die lange ohne einen Pfennig gearbeitet haben.“ Übrigens verkehrt die erste Fähre noch immer auf der Maas irgendwo zwischen Venlo und Nimwegen.
Viele altgediente Helfer
Heute fahren elf Fährmänner die Keer tröch II. 2015 übernahm ein Trio aus Dennis Boländer, Florian Kühnen und Philipp Feine die Verantwortung für den Fährbetrieb, heute ist Feine der Fährleiter. Viele der Helfer sind altgedient - Willi Giesen (72) beispielsweise, der seit 29 Jahren Kassierer ist. An diesem Freitagnachmittag steht Joseph Lohmann am Ruder - erfahrener Binnenschiffer und auch mit 80 Jahren noch fit, lenkt er die Fähre souverän über den Strom, wie seit vielen Jahren schon. Etwa vier bis fünf Tage im Jahr sind die Fährmänner im Einsatz, erläutert Fährleiter Philipp Feine.
Meist sind die Gäste ruhig und halten sich an die Regeln, auch an die der Pandemie. Vor einigen Wochen allerdings ist Lohmann und Giesen der Schreck in die Glieder gefahren: Mann über Bord!!
Giesen erinnert sich: „Der Mann wollte nur die einfache Fahrt buchen, obwohl ich ihm gesagt habe, dass es preiswerter ist, gleich die Hin- und Rückfahrt zu nehmen.“ Dieser Passagier hatte aber eigene Pläne. „Mitten auf dem Rhein ist er ins Wasser gesprungen, hat seine Tasche an Bord gelassen.“ Auch Fährmann Lohmann beobachtete fassungslos, wie der Mann ans Ufer schwamm. „Es ist alles gut gegangen, nur hatten die Fahrgäste Sorge, dass eine Bombe in der Tasche sein könnte.“ War es nicht - der Schwimmer holte sie hinterher ab.
Ein schwimmendes Reh eskortierte die Fähre mal sicher über den Fluss. Es gibt immer etwas zu sehen und zu erzählen beim Fährbetrieb. Nach dem jüngsten Hochwasser hat das Team den Fähranleger geschrubbt. „Sicherheit geht vor“, sagt Giesen, „die Fahrgäste wären im Schlamm ausgerutscht“. An die erste Fähre kann auch er sich noch gut erinnern. Und an die nassen Füße, die waren an der Tagesordnung.