Bislich – ein Dorf setzt auf kreative Lösungen

Aufschnitt vom Bäcker, Schulhefte bei der Floristin und Fleisch im Landhandel: Auf dem Land ist vieles möglich.

NRZ-Bericht vom 24.07.2015 von Susanne Zimmermann

Sonntags bis 18 Uhr frisch aufgeschnittenen Käse und Wurst kaufen – wo gibt’s denn sowas? An den großen Hauptbahnhöfen Köln und Düsseldorf beispielsweise gibt’s das. Und bei Pooths in Bislich, da auch. Sicher, man trauert noch immer um seinen kleinen Rewemarkt. Der hat vor Jahren schon die Pforten geschlossen. Doch das 2145-Seelen-Dorf geht recht kreativ mit diesem Verlust um: Fast alles für den täglichen Gebrauch ist zu haben. Sogar einen Hausarzt um die Ecke haben die Bislicher, auch das ist auf dem Land eher ein Luxus.

Die Bäckerei Pooth gibt es schon seit 1820. Hubert Pooth (74) übernahm sie früh, sein Vater war im Krieg geblieben. Heute ist Haus Pooth Bäckerei, Hotel, Gastronomie und Saalbetrieb. „Nur von der Bäckerei könnte man nicht leben“, sagt Hanni Pooth (69). Die jungen Bislicher kommen meist nur sonntags, um Brötchen und Kuchen zu kaufen. „Sie versorgen sich sonst auf dem Heimweg im Supermarkt.“ Mit dessen Preisen kann die Frischetheke der Pooths nicht mithalten, aber die älteren Bislicher schätzen es, Aufschnitt zu bekommen.

Und frisch ist er, denn Pooths versorgen auch ihre Hotelgäste. „Für unsere Stammkunden besorgen wir auch andere Waren, wenn sie uns darum bitten.“ Alles rund ums Frühstück ist im Laden zu haben, auch Marmelade, Mehl, Zucker. Und klar: Süßigkeiten, für die Kinder. Unverbesserliche bekommen sogar ihre Zigaretten über die Bäckereitheke gereicht. Sohn und Enkel der Pooths sind mit im Betrieb, das Geschäft hat Zukunft.

 

Schreibwaren und frischer Klatsch

Auch die zweite Bäckerei im Ort, eine Filiale von Brors, bietet neben den klassischen Bäckerei- und Konditoreiwaren allerlei für den täglichen Bedarf: Abgepackte Lebensmittel wie Gurken, Ketchup, Fertiggerichte, ein überschaubares, nützliches Sortiment plus Kühltheke mit abgepackten Frischwaren.

Kleine Bislicher, die ein Heft oder ein Radiergummi brauchen, gehen zu Helga Michelbrink in den Blumenladen an der Frankenstraße. „Da kommen Mädchen mit einem Heft und wollen genau so eins“, sagt die 67-Jährige, die seit 35 Jahren hier ihren Laden betreibt. Sie lacht. Pünktlich zu Schulbeginn wird sie ihre Werkstatt frei räumen und zwei Tische mit Schulutensilien füllen. Das ganz große Geschäft macht sie damit nicht mehr. Aber die lebhafte Frau freut sich, wenn die Kinder kommen. Sie bietet alles, was man eben dringend braucht - Ballons fürs Wasser beispielsweise, und Straßenmalkreide. Klar, Michelbrink verkauft auch Blumen und Deko. Wenn eine Stammkundin nach Ladenschluss noch eine Glückwunschkarte benötigt - sei’s drum. Sie klingelt dann.

Manche Leute kommen aus Flüren oder von weiter her. Und für die Senioren steht ein Stuhl im Laden, „die kommen auch regelmäßig zum Kaffeekränzchen“. Dann wird der große Garten hinter dem Laden zur Nachrichtenbörse. Man nimmt sich Zeit füreinander. Helga Michelbrink hofft, dass Enkelin Maike mal das Geschäft übernimmt. Die ist begeistert, aber sie ist 15, da ist noch viel Zeit.

Ein paar Meter weiter die Frankenstraße herunter ist der Landhandel Raiffeisenmarkt. Er hat Fleisch, Gemüse, Lebensmittel, ein kleines Drogeriesortiment, Backwaren, Nudeln, Knödel - was der Mensch so braucht, sogar Sahnehering gibt es, und Milchprodukte. „Die älteren Kunden sind dafür dankbar“, sagt Inhaber Dieter Neumann.

Neben dem kleinen Supermarktsortiment hat er den klassischen Landhandel und einen Getränkemarkt mit Partyservice. Immer donnerstags ist Liefertag. Für einen Euro pro Kiste kommen die Getränke dann an die Haustür. „Wenn einer sagt, ‘bring mir ‘ne Zahnpasta mit’, ist das auch kein Problem“, sagt Neumann.

Doch auch im Raiffeisenmarkt ist das alte Dilemma zu spüren: „Die Leute sind Discounterpreise gewohnt, die können wir nicht bieten“, sagt Neumann. So ziehen es viele, die noch die Wahl haben, vor, in Flüren oder Wesel einzukaufen. Der Landhandel sei zu teuer, „1,09 Euro für einen Kopf Salat bin ich nicht bereit zu zahlen“, sagt eine Bislicherin.

Neumann kann sich bei seinen Abnahmemengen nicht mit den Supermärkten messen, doch es läuft. „Es sind meist Auswärtige, die staunen, dass es bei uns so etwas gibt“, sagt er. Manche Kunden kaufen bewusst hier, obwohl sie es nicht müssten. Damit das Angebot im Dorf bleibt. Paul Kühnen ist so einer. „Was es hier gibt, kaufen wir auch hier“, sagt er. Das Notwendige sei zu haben, obwohl auch er bedauert, dass es keinen Supermarkt mehr gibt. Und Waltraud Otto ist begeistert vom Angebot, nicht nur, weil es ausreichend Waren gibt. „Hier finden die Leute immer einen Ansprechpartner.“ Sie grinst. „Ich bin aber nicht objektiv...“ Waltraud Otto hat viele Jahre im Raiffeisenmarkt gearbeitet.

 

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