Bislich in der Hand alliierter Soldaten

Vor 75 Jahren wurde das Dorf am Deich vom Rhein aus erobert. Tagebuchaufzeichnungen erinnern an das, was die Menschen damals mitgemacht haben. Lehrerin Elisabeth Zöllner und Pfarrer Heinrich Kühnen gehörten dazu

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Drei Soldaten des 8. Bataillons der Royal Scots am Bislicher Deich. Sie beschießen die deutschen Soldaten, die wiederum mit Granaten antworten. Dabei wird ein schottischer Soldat verwundet. stadtarchiv wesel

Von Petra Herzog

Wesel In den ersten Stunden des 24. März 1945 ging alles ganz schnell. Bereits um 2.35 Uhr hatten die vier Kompanien der Royal Scots Fusiliers alle wichtigen Kreuzungen in Bislich besetzt. „Das Dorf war von den Angreifern komplett eingekreist“, heißt es in dem Buch „Krieg vor der eigenen Haustür – Rheinübergang und Luftlandung am Niederrhein“ von Alexander Berkel.

Die schottischen Soldaten spürten immer mehr deutsche Soldaten der 84. Division auf, die teils in Kellern Unterschlupf gesucht hatten. Derweil waren britische Einheiten damit beschäftigt, Personal und Material über den großen Fluss zu transportieren. Sturmboote nahten, das Dorf am Deich wurde von vier Infanteriebataillonen und einem Panzerbataillon überrannt.

Gegen 9 Uhr arbeiteten sich die Alliierten weiter vor. Zunächst waren Vissel und Jöckern Ziele, die Visseler Höfe wurden eingenommen. Danach ging es weiter Richtung Schüttwich und schließlich nach Diersfordt.

Der ganze Hof voller Soldaten

Alfons Meyboom, damals Landwirt, war 15 Jahre alt, als er am Marwick im Keller des Elternhauses saß. Ein Soldat riet ihm, seine Skimütze abzusetzen, da sie einer Soldatenmütze ähnele. Der ganze Hof war voller Soldaten, die hier erst einmal frühstückten und jede Menge Eier in die Pfanne schlugen.

Die Lehrerin Elisabeth Zöllner schrieb ebenfalls ihre Beobachtungen auf. Unter anderem notierte sie: „Kein Toter war beim Übergang zu beklagen. Aber Tenbruck, der sich nach Flüren geflüchtet hatte, wurde beim Herauskommen aus dem Keller vom Engländer erschossen.“ Und weiter: „Willy Meyboom, Theodor Ramms, Willi Terfurth und noch einige andere Anwohner des Dammes werden am 24. März morgens um 6 Uhr zum Rhein geführt und nach Waffen untersucht. Eine Stunde liegen sie am Rhein. Da der Engländer keinen Widerstand verspürt, entlässt man sie, andernfalls wären sie als Geiseln nach linksrheinisch gebracht worden.“

„Gott sei Dank!“, schrieb Pastor Heinrich Kühnen damals in sein Tagebuch. „Wir hoffen, das Schlimmste überstanden zu haben!“ Dabei erinnert er an die „Schreckensnacht, wie wir sie noch nie erlebt haben; wohl nie ist in Bislich so inbrünstig gebetet worden, wie in dieser Nacht in den Kellern der Häuser. Alle meinten, ihr letztes Stündlein sei gekommen, und ich habe oft vom Keller aus der ganzen Gemeinde die Absolution erteilt.“

Auch das Pfarrheim brannte

In den frühen Morgenstunden habe man dann Motorengebrüll und Wasserrauschen gehört. Bald dann Maschinengewehrfeuer, und schließlich seien die feindlichen Soldaten im Dorf angekommen. „Die englischen Soldaten waren freundlich und taten uns nichts zuleide“, schreibt der Bislicher Pfarrer, nach dem der Platz neben der St.-Johannes-Kirche benannt ist, weiter. „Aber wie sieht Bislich nun aus? Als wir aus dem Keller durften, stand der ganze Kirchplatz voll mit Panzern und anderem Kriegsgerät. Viele Häuser brannten noch lichterloh, so das Pfarrheim...“ Es wurden noch zahlreiche weitere Gebäude ein Raub der Flammen. „Aber bei alldem ist es ein großes Glück und fast wie ein Wunder, dass in der Schreckensnacht hier niemand zu Tode gekommen ist“.

Ilse Schmitz schildert in ihrem Tagebuch vom 23. bis 29. März 1945 schließlich den Beginn der Luftlandeaktion. „Wir vernahmen ein unheimliches Brausen in der Luft, das plötzlich begann, aber auch ebenso schnell wieder aufhörte, sich aber noch oft wiederholte. Durch diese ungewöhnlichen Geräusche erschreckt, liefen die Soldaten zur Türe, um zu sehen, was wir denn nun wieder Neues erleben würden. Mit dem Ruf ,Feindliche Fallschirmabsprünge’ kehrten sie zurück, holten ihre Ausrüstung und stürmten nach draußen.“

Die zerstörte Bislicher Kirche. Davor ist das Grab eines britischen Soldaten. stadtarchiv wesel

Gedenken im November
Eigentlich sollte am heutigen Dienstag der Ereignisse von vor 75 Jahren gedacht werden. Doch die Einschränkungen zur Eindämmung des Coronavirus machen dies unmöglich.

Nun hofft man in Bislich, dass die Gedenkveranstaltung im November nachgeholt werden kann.

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