Preissturz bei Milch: Lage der Weseler Bauern spitzt sich zu
Die Sorgen der Milchbauern in Wesel hören nicht auf. Nun ist auch noch der Milchpreis stark gefallen. Doch das ist nicht das einzige Problem.
NRZ-Bericht vom 26.04.2023 von Melanie Koppel. Foto: Markus Joosten / FUNKE Foto Services
Der Preis, den Landwirte für einen Kilo Rohmilch von den Molkereien bekommen, hat im vergangenen Jahr eine kleine Achterbahnfahrt hingelegt: Von relativ hohem Niveau ist er zunächst deutlich angestiegen, nur um jetzt wieder zu fallen. Woran liegt das? Und was bedeutet der turbulente Milchmarkt eigentlich für die Weseler Milchbauern?
Höhere Kosten, sinkender Ertrag
Robert Meyboom (63) und sein Sohn Matthias (26) halten rund 200 Milchkühe auf ihrem Hof in Wesel-Bislich. Auch sie verzeichnen einen Preissturz für die Milch: Allein von März auf April um sechs Cent pro Kilogramm, betrachtet man den Zeitraum von Dezember bis April sind es sogar 14 Cent. An sich wäre das kein großes Problem, meinen die Meybooms, denn mit knapp 45 Cent, die sie aktuell bekommen, wäre der Milchpreis immer noch ganz in Ordnung, wenn nicht gleichzeitig die Kosten für die Produktion so drastisch angestiegen wären.
So ist das Futtermittel teurer geworden – von 13 bis 14 Cent sind die Futterkosten für einen Liter Milch auf 20 Cent angestiegen – dank höherer Energiepreise ist natürlich auch die Kühlung teurer und selbst das Reinigungsmittel für den Melkroboter kostet heute doppelt so viel wie früher. Und natürlich haben auch sämtliche Lieferanten die Preise erhöht. „Sie müssen’s alle weitergeben“, zeigt Robert Meyboom Verständnis, „aber kommen muss es immer von der Milch.“
Milchproduzenten spüren noch immer die Folgen trockener Sommer
Unter Druck geriet die gesamte Branche bereits vor einigen Jahren: Trockene Sommer führten zu trockenen Weiden, höheren Futterkosten und weniger Milch. In diesen Sommern, etwa seit 2018 sagt Matthias Meyboom, „da kamen in vielen Betrieben die Löcher.“ Gemeint sind Investitionslöcher, Zeiten in denen nicht genug übrig war, um größere Investitionen zu tätigen. Der Milchpreis damals lag im mittleren 30-Cent-Bereich und das blieb auch bis vor einiger Zeit so.
Wirbel kam dann im vergangenen Jahr in den Milchmarkt. Unter anderem durch den Krieg in der Ukraine verteuerte sich die Produktion weiter, sodass die Milchpreise zu steigen begannen. Trotzdem gab es erst einmal weniger Milch. „Im Sommer hatten die Molkereien dann alle das Problem, dass sie die Nachfrage nicht bedienen konnten“, erinnert sich Robert Meyboom. Das geringe Angebot ließ die Preise in ungeahnte Höhen schießen und das änderte logischerweise die Lage der Milchviehhalter. Zumindest derer, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht aufgegeben hatten. Sie konnten ihre Milch für 55 Cent und mehr abgeben, „aber das Geld war trotzdem weg, weil die Kosten stiegen“, hält Robert Meyboom fest. Oder weil man eben die zuvor entstandenen Löcher stopfen musste.
Gleichzeitig hatte der im Laufe des Jahres immer weiter steigende Milchpreis einen zusätzlichen Effekt: „Ende 2022 war mehr Milch im Markt als im Vorjahr“, erklärt Matthias Meyboom. Bei dem hohen Milchpreis wurde mehr gemolken. Doch nach Weihnachten sei die Nachfrage der Verbraucher zurückgegangen und zwar etwa um das Maß, das an Mehr-Milch da war. Also gehen die Preise nun wieder bergab.
„Beim Milchpreis hat man wenig in der Hand“
Wie stark oder schwach der Rückgang ist, hängt von mehreren Faktoren ab (zum Beispiel, ob für den Weltmarkt oder das Supermarktregal produziert wird) und nicht zuletzt an der Molkerei, die sie abnimmt. Die Meybooms beispielsweise produzieren für die Molkereigenossenschaft Arla, die sie in der Eifel überwiegend zu Butter verarbeiten lässt. Im April 2023 bekommen sie knapp 45 Cent pro Kilo Milch, also ungefähr genauso viel, wie im April des Vorjahres. Der Unterschied liegt nur im Zehntel-Cent-Bereich. Doch anders als im Vorjahr geht der Preis nun herunter, statt herauf – und das bei weiterhin sehr hohen Preisen in der Produktion.
Was also tun? „Beim Milchpreis“, sagt Robert Meyboom „da hat man wenig in der Hand“. Selbst die Verbraucher, die am Ende des Tages die Produkte in den Einkaufswagen legen, könnten aktiv kaum etwas ändern, sind die Meybooms überzeugt. Stattdessen sehen sie die Marktmacht eindeutig beim Handel, der in der Kette zwischen Molkerei und Verbraucher steht. Eine Alternative gebe es kaum, auch Direktvermarktung halten sie für einen unrealistischen Weg: Milch sei eben ein Grundnahrungsmittel, das beim Wocheneinkauf im Supermarkt mit eingepackt wird.
Zahlen, Daten, Fakten
Laut der der Landesvereinigung der Milchwirtschaft NRW gibt es im gesamten Kreis Wesel 600 Rinderhalter, 264 davon sind Milcherzeuger. Von den rund 64.000 Rindern sind rund 25.000 Milchkühe.
Das deckt sich in etwa mit den Daten des statistischen Landesamtes. Demnach ist die Zahl der Milchviehhalter in den vergangenen zehn Jahren rapide gesunken. Gab es 2013 noch 379 Höfe mit Milchkühen, meldeten die Statistiker zum Jahresende 2022 noch 262. Zugleich hat sich der durchschnittliche Bestand von 74 auf 97 Tiere erhöht.