Sorgen um Giftmüll in Bislich
Im Zuge des Sportplatz-Neubaus in Bislich rückt nicht nur Lärmschutz in den Fokus. Anwohner Detlef Brüggert macht wegen der Altlast Müllkippe mobil. Das kann das Bau-Projekt deutlich verzögern.
RP Bericht vom 26.02.2013
VON FRITZ SCHUBERT
Anwohner Brüggert vermutet gefährliche Altlasten im Boden. rp-foto: jürgen bosmann
wesel Wo derzeit Bislichs Kicker auf Asche und demnächst auf Kunstrasen kicken, da war einst eine Müllkippe. Das ist vor allem im Ort nicht unbekannt, rückt aber im Zuge des anstehenden Bauprojekts nun in den Fokus. Anwohner Detlef Brüggert (53) möchte nicht nur den Lärmschutzwall haben, der in einer früheren Planung mal für 120 000 Euro enthalten war. Er möchte auch Klarheit über die Altlasten bekommen. Seine Sorge, dass Giftmüll nachhaltig das Grundwasser belastet, teilt er mit einigen Nachbarn vom Feldwicker Weg. 17 haben bislang eine entsprechende Eingabe an die Stadt unterschrieben. Brüggert hofft, dass sich mehr Nachbarn anschließen und dass sich ältere Bislicher erinnern, was in den 60er und 70er Jahren alles in der Kiesgrube verschwunden ist.
Nachbar Josef Wissing (59) ist „froh, dass Brüggert das endlich in die Hand genommen hat“. Er wisse, dass nicht nur Hausmüll abgekippt worden sei, sagt er und verweist auf früher zahlreiche Brände durch Selbstentzündung in heißen Sommern. Wissing erinnert sich zudem daran, dass die Bundeswehr Fässer angeliefert habe.
Detlef Brüggert hat Gewährsleute dafür, dass zwei komplette Kies-Lkw in der Grube entsorgt wurden, und hegt außerdem den Verdacht, dass vom Militär aus der Schill-Kaserne Munition verklappt wurde. Eventuell auch radioaktiv belasteter Abfall. Der könne beim Umrüsten von US-Atomsprengköpfen entstanden sein. Als auffällig beizeichnet Brüggert im RP-Gespräch die Dichte an Krebserkrankungen und verweist auf 15, teils bereits verstorbene Betroffene. Eigenes Grundwasser nutzt er schon länger nicht mehr zum Kochen oder zum Wässern des Gartengemüses.
Über Jahre, so Brüggert, stand die Bislicher Kippe beim Kreis Wesel auf der Antragsliste für Landeszuschüsse zur Sanierung. Ab 2008 nicht mehr. 2005, so Markus Fischer vom Kreis, sei zuletzt gemessen worden. Es habe keine Auffälligkeiten gegeben. Am 6. März werde allerdings nun ein Bagger zur Entnahme einer Bodenprobe anrücken.
Dieser Probe dürfte Detlef Brüggert kaum Vertrauen schenken, denn seiner Kenntnis nach solle nur an der Oberfläche geschürft werden. Der Anwohner hatte selbst die Spitzhacke auf einer Fläche neben dem Ascheplatz in den Boden getrieben. In 20 bis 25 Zentimeter Tiefe stieß er unter anderem auf eine Stoßstange. Mittlerweile hat die Stadt ihm das Betreten des Grundstücks untersagt.
Bruno Gerwers, Ur-Bislicher, zuletzt Gemeindedirektor in Hamminkeln und seinerzeit als stellvertretender Amtsdirektor des Amtes Ringenberg auch für den heutigen Weseler Stadtteil Bislich zuständig, hat keine Erinnerungslücken. Er weiß, dass damals alles abgekippt wurde, was man sich vorstellen kann. „Da gab es noch keinen Umweltschutz“, sagt er. Dass Munition oder Atomares dabei war, glaubt er aber nicht.
Detlef Brüggert zeigt auf einen Teil der Ex-Deponie am Ascheplatz, der jetzt umgebaut werden soll. Stäbe markieren Sondierungsstellen der Kampfmittelräumer.
Gefährliche Fässer unter dem Sportplatz?
NRZ-Bericht vom 26.02.2013
von Joachim Freund
„Wir können nachts nicht mehr schlafen“, sagt Detlef Brüggert. Er habe Angst, Sorge um seine Familie. Wenige Meter von seinem Haus am Feldwicker Weg in Bislich schlummern gefährliche Stoffe im Boden, wie er behauptet.
Auf der einstigen Müllkippe seien in den 60er Jahren nicht nur Autobatterien entsorgt worden, sondern auch Farben, Lösungsmittel, Teer sowie Abfälle der Bundeswehr - vielleicht auch Waffenteile. Von Fässern mit Totenkopf-Aufdruck hätten Zeitzeugen berichtet. Kein akuter Handlungsbedarf, sagt die Kreisverwaltung als zuständige Umweltbehörde. Brüggert wolle in Wahrheit den hier geplanten Bau des neuen Sportplatzes verhindern.
Der 53-Jährige ist nicht begeistert, dass der ursprünglich vorgesehene Lärmschutzwall nicht kommen soll, aber den Sportplatz habe er „abgehakt“. Er hat dort gegraben und „in 25 Zentimetern Tiefe Schrott gefunden“. Offensichtlich sei das Ganze nicht abgedichtet, so dass Giftstoffe ins Grundwasser gelangen könnten.
Auch die Bundeswehr kippte ab
Anhaltspunkte liefern ihm Aussagen einzelner Bislicher. Sein Nachbar Josef Wissing habe „gesehen, wie die Bundeswehr Fässer hierhin gebracht hat“ - oft nachts. Das Gelände sei dann jeweils abgesperrt worden. Brüggert ist an eine schriftliche Abmachung des damaligen Bislicher Bürgermeisters mit der Standortverwaltung gelangt, wonach für das Abkippen für das Grundwasser schädlicher Chemikalien eine Entschädigung zu zahlen war. Man erzählt sich, dass ein zum Deponie-Wächter ernannter Anwohner zwanzig D-Mark und eine Flasche Schnaps habe dafür erhalten habe, „dass er den Schlüssel raus gab“.
Zwei komplette Kieslaster seien hier verbuddelt worden, will Brüggert vom Sohn des betreffenden Lkw-Fahrers gehört haben - „vermutlich Versicherungsbetrug“. Deder frühere Pächter der Wiese zur anderen Seite hat Brüggert erzählt, dass seine Schafe dort wohl wegen der dort vergrabenen Fässer verendet seien. Den Ort hat er ihm gezeigt.
Elf Menschen sind laut Brüggert seit den Deponie-Zeiten in der Siedlung an Krebs gestorben, darunter sein Schwiegervater: „Jedes zweite Haus ist betroffen.“ Vier Krebserkrankungen gebe es zudem. Auch seine Frau zählt dazu.
Kreis: Sache ist abgearbeitet
Monate lang hat Brüggert recherchiert, Untersuchungsergebnisse aufgestöbert, hohe Zinkkonzentrationen entdeckt. Die Bezirksregierung habe eine Sanierung gefordert und insgesamt 210 000 Euro zur Verfügung gestellt. Der Kreis habe Bohrungen durchgeführt, an entscheidender Stelle aber wegen „mangelnden Bohrfortschritts“ abgebrochen.
Die Ende der 70er Jahre geschlossene Müllkippe sei 1995 erstmals untersucht worden, sagt Markus Fischer, beim Kreis zuständig. Schwermetallbelastungen im Grundwasser seien „völlig unauffällig“ gewesen. Zehn Jahre später habe ein Sachverständiger dies bestätigt. Die „Altlast-Verdachtfläche“ ist für ihn „abgearbeitet“. Mit neuen Fakten rechnet er nicht. Brüggert nutze die Sache als Vorwand, um die neue Sportanlage zu verhindern.
Detlef Brüggert, dessen Schwiegereltern hier vor 34 Jahren gebaut haben, hat seine Rammspitze zur Grundwasserförderung stillgelegt. Die meisten seiner Nachbarn tun dies nicht. „Einige haben den Kopf in den Sand gesteckt“, sagt er. 17 von ihnen haben auf seinen Rundbrief reagiert und eine Stellungnahme an die Bürgermeisterin unterschrieben. Für manche Bislicher ist er als Zugezogener ein Außenseiter, andere wollen nicht laut sagen, was sie wissen. Er sucht weiter nach Zeugen. Gegen die Pläne der Stadt hat er Einwendungen erhoben. Er möchte, dass die Fässer im Boden ausgegraben werden und bis unter das Grundwasser gebohrt wird. Er sei bereit, notfalls 10 000 Euro an Bodenproben auszugeben - wenn er denn die Erlaubnis erhielte. Bei einer Bestätigung seines Verdachts müsse komplett ausgebaggert werden. Am 6. März will die Stadt vor Ort aktiv werden. „Wir werden bohren müssen“, sagt der Erste Beigeordnete Dirk Haarmann.