Trauung im Schatten der Kirche
Der Schluss einer der letzten Lebenspartnerschaften sorgt am Niederrhein für Aufsehen. Weil der Bischof dem Paar einen Segensgottesdienst verbietet
Von Stephan Hermsen
Der Herr links heißt seit Samstag Hubertus Pooth-Hinze. Denn der Gastwirt aus Wesel-Bislich hat Emmerichs Bürgermeister Peter Hinze geheiratet. Die „Eintragung der Lebenspartnerschaft“ gelang, einen Segen gab es nicht. Foto Thorsten Lindekamp
An Rhein und Ruhr. Der Kirche kann man am Niederrhein einfach nicht entrinnen. Doppelsinnig spricht Emmerichs Standesbeamtin Waltraud Thyssen-Brömmeling an diesem Samstag davon, dass Peter Hinze und Hubertus Pooth „im Schatten der St. Georgs-Kirche“ heiraten. Nun ist es weniger der Schatten des Kirchturms des Dörfchens Hüthum, der auf das Trauzimmer in einem Gutshof fällt, es ist vielmehr der Schatten der Amtskirche, genauer: des Bischofs von Münster.
Eigentlich hatte das prominente Paar, Peter Hinze ist Bürgermeister der 30 000-Einwohnerstadt, Hubertus Pooth Gastronom im Dörfchen Bislich am Rheindeich bei Wesel, sich das Fest ihrer Eheschließung etwas anders vorgestellt. Nach der Schließung der Lebenspartnerschaft nach altem Recht (Nummer 5 aus 2017 in Emmerich, wie Frau Brömmeling ganz dienstlich verliest) wollten der 57-jährige Bürgermeister und sein 17 Jahre jüngerer Partner nach der standesamtlichen Zeremonie in der Bislicher Kirche einen Wortgottesdienst feiern.
Kein Segen für „Menschen in Beziehungen“
Hubertus Pooth war Messdiener, ist mit und im katholischen Glauben aufgewachsen – den schönsten Tag des Lebens auch in kirchlichem Rahmen zu begehen, war ihm ein Herzenswunsch. Er und Peter Hinze haben sich auf dem Weihnachtsmarkt in Xanten vor knapp vier Jahren nach längerer Zeit wieder getroffen – daraus wurde dann Freundschaft, Liebe – und jetzt eine Beziehung fürs Leben. „Die Liebe überwindet Grenzen gleich welcher Art“, sagt die Standesbeamtin.
Indes: Das gilt offenbar nicht für die Kirchenpforte. Die bleibt dem frisch getrauten Paar verschlossen: obwohl der Weseler Priester Stefan Sühling deutlich gemacht hatte, dass ein Wortgottesdienst keine Trauung sei und er ganz allgemein einen „Segen für Liebende und Menschen in Beziehungen“ spenden wollte. Doch durch Medienberichte (manche sprechen auch von Telefonaten) aufmerksam geworden, untersagte der zuständige Bischof von Münster, Felix Genn, den Gottesdienst. „Die Ehe ist von der Schöpfungsordnung als Gemeinschaft von Mann und Frau vorgesehen. Das heißt nicht, dass Menschen, die homosexuell leben, ihre Beziehung nicht vor dem Staat ordnen können sollen – dagegen lässt sich nichts sagen. Aber: Die Ehe für alle sehe ich nicht“, hatte Bischof Genn kürzlich in einem NRZ-Interview betont. Das Christentum müsse immer auch mal wieder gegen den Strom schwimmen.
Die Enttäuschung bei Hinze und seinem Mann ist groß: „Die Kirche gibt Tieren, Autos oder Häusern einen Segen. Uns aber nicht. Das bedeutet, dass wir nicht dazugehören, weil wir schwul sind.“ Dies sei die deutlichste Diskriminierung, die ihm als offen homosexuell lebendem Menschen widerfahren sei. Bei der Trauung bekommt auch deswegen jede Geste Gewicht: Wer kommt? Wer gratuliert? Bleiben Menschen fern, weil der Bischof dagegen ist? Es sieht nicht so aus. Unter den Gästen ist auch Noch-Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Die Parteigenossin von Peter Hinze ist bereits seit 2010 mit ihrer Frau verpartnert – und hat angekündigt, daraus eine Ehe machen zu wollen.
Sie und die übrigen Gäste der Trauung jedenfalls spenden an diesem Vormittag kräftigen Applaus, als sie sich mühevoll den Weg durch die Menschenschar bahnen, die sich im ehemaligen Schweinestall und jetzigen Trauzimmer des Gutshofes drängt. Ein Gitarrist spielt den Giesinger-Song „Einer von 80 Millionen“.
Als die beiden Männer sich das Ja-Wort gegeben, die Ringe getauscht haben, folgt der Kuss, garniert mit Tränen, Rotwerden und Rührung. Wie viele Honoratioren des katholisch geprägten Städtchens haben wohl zuvor schon mal einen zärtlichen Kuss zwischen Männern gesehen? Die Menschen im überfüllten Trauzimmer jedenfalls klatschen herzlichen Beifall. Im Schatten der Kirche.
DER WEG IN DIE NORMALITÄT – FÜR BÜRGER UND BÜRGERMEISTER
Ole von Beust mutmaßte 1997 noch, die Hamburger CDU habe ihn, obwohl schwul, nur deshalb als Bürgermeisterkandidaten aufgestellt, weil er eh keine Chance hatte. Das Amt bekam er dann später, ab 2001.
In dem Jahr fiel in Berlin Klaus Wowereits legendärer Satz: „Ich bin schwul – und das ist gut so“. Der gesellschaftliche Wandel und die Akzeptanz offen gelebter homosexueller Partnerschaften hat in den letzten zwei Jahrzehnten rasant zugenommen.
Doch selbst als Essens Bürgermeister Thomas Kufen 2015 seinen Partner heiratete, lautete die Begründung für die Pressemitteilung der Trauung noch reichlich verschwurbelt, man tue dies, damit die Gäste unbefangen über die Hochzeit reden könnten...