Vom Geschehen abgeschnitten
Bislich hat abends und am Sonntag keine Busanbindung mehr. Dafür hat hier niemand Verständnis – das Dorf fühlt sich von Stadt und Kreis alleingelassen
Burkhard Kochale fordert mehr soziale Verantwortung von den Verkehrsplanern.
Foto Markus Weissenfels FFS VON Susanne Zimmermann
Wesel „Bislich ist vom gesellschaftlichen Leben abgeschnitten“, sagt Burkhard Kochale. Alleingelassen sei das Dorf von der Stadt Wesel und dem Kreis. Gourmetfest, Weseler Winter, mal am Wochenende mit Freunden ins Restaurant oder auch nur nach Flüren zu Verwandten: „Sie kommen da nicht mehr weg.“ Busverbindungen nach Bislich? Sonntags und feiertags gibt es keine mehr. Wochentags fährt der letzte Bus vom Großen Markt um 19.04 Uhr, an Samstagen um 15.42 Uhr. Laut Internet – die Anschläge an den Haltestellen sind mitunter veraltet, ist doch die ehemalige Linie 86 kürzlich in 84 und 86 aufgeteilt worden.
Kochale mag sich mit der schlechten Anbindung nicht abfinden. Viele hier denken wie er. „Der Kreis und die Politik haben auch eine soziale Verantwortung“, sagt der 65-Jährige. Bislich werde einfach abgehängt. Monika Amerkamp lebt mit ihrer Familie am Deich. „Wir haben uns am Freitag mit den Landfrauen in der Weinzeit getroffen“, erzählt sie. Gern wären die Frauen mit dem Bus nach Hause gefahren, aber nicht um 19.04 Uhr, danach gibt es keine Busse mehr nach Wesel. Anrufsammeltaxi? „Wir sind 20 Frauen, wie soll das gehen?“ Also mussten die Männer ihre Frauen aus der Stadt abholen. „Der Busfahrplan ist eine Zumutung. Für Bislich ist nie viel getan worden und es wird immer schlimmer.“
Beim NRZ-Bürgerbarometer hat das an sich beliebte Dorf am Deich eher mäßig abgeschnitten. Burkhard Kochale war unter den Befragten. Natürlich gehen die Ergebnisse anonymisiert an die Redaktion. Doch Kochale hat sich gemeldet, will sein Urteil begründen, seinem und dem Ärger vieler Bislicher Ausdruck verleihen. Viel unterwegs, kennt er andere Beispiele. Bessere. Kleinere Busse in fahrgastarmen Zeiten beispielsweise. Sein Wunsch: Abends müssen noch Busse aus der Stadt fahren, im Stundentakt oder wenigstens zweistündlich. „Es kann sein, dass manchmal nur zwei oder drei Menschen mitfahren. Aber das ist eine Mischkalkulation und muss sein.“ Für ihn ist das Anrufsammeltaxi keine Alternative.
Nicht jeder kann ein Auto fahren. Behinderte Menschen oder Senioren sind durch die fehlende Verkehrsanbindung ans Dorf gebunden. „Wir haben kein Geschäft mehr. Senioren können nicht mal einkaufen“, gibt Burkhard Kochale zu bedenken.
Ludger Gewers, der an Aphasie leidet, hat sich bereits an Kreis, Stadt und Öffentlichkeit gewendet. Auch seine Forderung nach der gleichberechtigten Chance auf Mobilität ist bislang ungehört geblieben – Menschen mit Behinderung kommen in den Berechnungen nicht vor, ebenso wenig wie Jugendliche und Senioren. In der Diskussion um den Nahverkehrsplan hielt die Kreistagsmehrheit am Prinzip der Wirtschaftlichkeit fest, um die Kommunen nicht zusätzlich zu belasten. Städte, die mehr Anbindungen wollen, sollen sie auch bezahlen, so die Position. Womit der Schwarze Peter wieder bei der Stadt Wesel liegt. „Die Marktlinie haben sie eingerichtet“, sagt Kochale. Davon hat das Deichdorf nichts. Das, davon sind hier überzeugt, zählt für Wesel nicht. „Frei nach dem Motto: Bislich hilft sich schon immer selbst“, sagt Kochale.